Neue Regierung um Christian Stocker von Van der Bellen vereidigt
Nach fünf Monaten und drei Tagen ist es heute endlich soweit: Österreich erhält wieder eine voll handlungsfähige Bundesregierung, die über die nötige Mehrheit im Parlament verfügt, um konkrete Vorhaben umzusetzen. Karl Nehammer und Alexander Schallenberg standen in den letzten vier Monaten an der Spitze einer Übergangsregierung, die ohne Mehrheit im Nationalrat war und deshalb keine Gesetzesvorlagen einbringen konnte. Diese politisch verordnete Stillstandssituation zwischen Boden-, Wörther- und Neusiedlersee ist nun vorbei.
Kein zweiter Vizekanzler
Am Montagvormittag hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen die 21-köpfige Regierungsmannschaft im Maria-Theresienzimmer im Leopoldinischen Trakt in der Hofburg angelobt. „Was lange währt, wird endlich gut“, sagte Van der Bellen in Anspielung an die lange Regierungsbildung. Er betonte die Herausforderungen, die auf die neue Regierung zukommen, wie die Sicherung des Friedens in Europa, Veränderungen durch die Digitalisierung, Klimawandel sowie Migration und Integration. Die Regierungsmitglieder und Staatssekretäre sprachen die Gelöbnisformel, und Van der Bellen beendete die Angelobung mit einem „Okay“.
Bei der Angelobung herrschte Gedränge, die neuen Minister und Staatssekretäre hatten Angehörige mitgebracht, und zahlreiche Journalistinnen und Journalisten verfolgten das Geschehen. Der Ballhausplatz im Wiener Regierungsviertel war abgesperrt, und eine Handvoll Menschen demonstrierte vor dem Bundeskanzleramt gegen die neue Regierung.
In einer kurzen und schmucklosen Zeremonie wurden Christian Stocker (ÖVP) als Kanzler, Andreas Babler (SPÖ) als Vizekanzler, Beate-Meinl-Reisinger (Neos) als Außenministerin, elf weitere Minister sowie sieben Staatssekretäre angelobt. Die österreichische Verfassung sieht keinen zweiten Vizekanzler bei einer Dreiparteienregierung vor. Nach einem kleinen Umtrunk mit dem Bundespräsidenten hinter verschlossenen Türen fanden die Amtsübergaben im Kanzleramt sowie in den jeweiligen Ministerien statt.
Ältester Kanzler seit Renner
Von den 21 Regierungsmitgliedern sind 17 neu im Amt, nur vier gehörten bereits der alten Regierung an. Christian Stocker, der neue Bundeskanzler, wird in drei Wochen 65 Jahre alt und ist nach Karl Renner der älteste Regierungschef seit 1945. Die Neos ebneten den Weg für die heutige Zeremonie am Rosenmontag mit ihrem eindrucksvollen Mitgliedervotum in der Ballonhalle im Arsenal. Die Bewegung ist erst die siebente Partei, die in der Geschichte der Zweiten Republik einer Bundesregierung angehört hat.
Zum ersten Mal seit 1945 haben sich drei Parteien in Österreich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Damit reiht sich Österreich in den europäischen Trend ein, der die politische Fragmentierung der klassischen Parteienlandschaft widerspiegelt. 17 EU-Länder werden bereits von drei oder mehreren Parteien regiert. Der neue Kanzler hat bereits am Donnerstag beim Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs seinen ersten großen internationalen Auftritt, wo es um die Zukunft des Kontinents geht.
Es ist nicht das erste Mal, dass es in der Zweiten Republik eine Dreiparteienregierung gibt. Nach 1945 bildeten ÖVP, SPÖ und KPÖ aus der Not heraus zwei Jahre lang eine Konzentrationsregierung, die im Herbst 1947 mit dem Ausscheiden der Kommunisten ihr Ende fand. Heute endet nach mehr als fünf Monaten die längste Regierungsbildung seit 1945.
Die neue Regierung um Christian Stocker verspricht eine neue Ära für Österreich einzuläuten. Mit einer breiten Mehrheitskoalition und frischen Gesichtern an der Spitze wird nun erwartet, dass dringende politische Entscheidungen getroffen werden, um die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen anzugehen. Die Bürgerinnen und Bürger von Österreich können gespannt sein, wie sich die neue Regierung in den kommenden Monaten bewähren wird.