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Russische Bomber über der Ukraine: Eskalation im Osten Europas

Nach einem der schwersten Luftangriffe auf die Ukraine hoben auch in der Nacht weitere Angriffsdrohnen und Bomber in Russland ab. Indes berichten russische Telegram-Kanäle davon, dass ukrainische Truppen die Grenze zur Region Belgorod zu durchbrechen versuchen.

Der russische Luftangriff auf die Ukraine vom Montag war nach Angaben aus Kiew der schwerste des seit Februar 2022 dauernden Kriegs. Die russischen Streitkräfte hätten mit jeweils mehr als hundert Raketen und Drohnen angegriffen, erklärte der Kommandant der ukrainischen Luftwaffe, Mykola Oleschtschuk, auf dem Kurzmitteilungsdienst Telegram. 102 der insgesamt 127 russischen Raketen seien ebenso abgefangen und zerstört worden wie 99 von 109 Drohnen. Das Hauptziel der Angriffe sei einmal mehr das Energiesystem der Ukraine gewesen. Auch in der Nacht auf Dienstag wurde es nicht ruhig. Russland hat nach ukrainischen Angaben Bomber und Drohnen gestartet, die in Richtung Ukraine fliegen. Die Bomber vom Typ Tu-95ms seien vom Luftwaffenstützpunkt Engels im Südwesten Russlands gestartet, erklärte die ukrainische Luftwaffe in der Nacht auf Dienstag im Onlinedienst Telegram. Neue Angriffsdrohnen seien ebenfalls in Richtung Ukraine unterwegs. In weiten Teilen der Ukraine wurde nach Angaben örtlicher Behörden Luftalarm ausgelöst.

Russische Bombardements und ukrainische Gegenmaßnahmen

Gouverneur von Belgorod: Situation „schwierig“
Indes versuchen ukrainische Truppen Berichten auf russischen Telegram-Kanälen zufolge, die Grenze zur Region Belgorod zu durchbrechen. Rund 500 ukrainische Soldaten griffen Kontrollpunkte in Nechotejewka und Schebekino an, heißt es auf dem Kanal Mesch am Dienstag. In beiden Gebieten werde gekämpft. Belgorod grenzt an die Ukraine und an die russische Region Kursk, in die ukrainische Truppen am 6. August überraschend vorgedrungen waren.

Der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, bestätigte seinerseits auf Telegram „Informationen, wonach der Feind versucht, die Grenze der Region Belgorod zu durchbrechen“. Die Situation sei „schwierig“, schrieb er, aber „unter Kontrolle“.

Der Telegram-Kanal SHOT berichtete von Angriffen ukrainischer Truppen mit acht gepanzerten Fahrzeugen in der Nähe von Nechotejewka. Sie seien durch russische Artillerie und Luftangriffe zurückgedrängt worden. Der Kanal schrieb, dass es bei der russischen Grenzstadt Schebekino selbst keine Kämpfe gegeben habe, aber ukrainische Truppen in die nahe gelegene, von Russland besetzte ukrainische Stadt Wowtschansk (Russisch: Woltschansk) eingedrungen seien. Das Gebiet, in dem die Kämpfe stattfinden sollen, befindet sich nördlich der ukrainischen Großstadt Charkiw, wo die ukrainische Seite der Grenze laut Angaben des Institute for the Study of War (ISW) von russischen Truppen kontrolliert wird. Es liegt rund 200 km südöstlich jener Gebiete im russischen Oblast Kursk, wo die ukrainischen Truppen zuletzt nach Russland vorgestoßen waren.

Raketenangriff in Krywyj Rih

In der ukrainischen Großstadt Krywyj Rih ist nach Behördenangaben bei einem neuen russischen Luftangriff eine Rakete in einem Hotel eingeschlagen. Es gebe ein Todesopfer und vier Verletzte, teilte der Verwaltungschef des Gebiets Dnipropetrowsk, Serhij Lysak, mit. Er selbst sprach von einem zivilen Objekt, die Stadt von einem Hotel, das getroffen worden sei. Unter den Trümmern des Gebäudes könnten weitere Menschen verschüttet sein, sagte Lysak.

Einsatzkräfte seien an Ort und Stelle, um Menschen zu retten, hieß es. Die Russen hätten das Hotel mit einer ballistischen Rakete getroffen, teilte die Stadt mit. Die Industriestadt Krywyj Rih im Gebiet Dnipropetrowsk ist die Geburtsstadt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij. Selenskij droht Russland mit Vergeltung.

Nach den groß angelegten russischen Luftangriffen gegen die Ukraine hatte Präsident Wolodymyr Selenskij am Montag eine Vergeltung angekündigt. Die militärische Antwort werde vorbereitet unter Einsatz der vom Westen gelieferten F-16-Kampfjets, sagte Selenskij in seiner abendlichen Videobotschaft. Russland hatte das Nachbarland nach Angaben aus Kiew mit 236 Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen attackiert. Dabei starben laut Behörden mindestens sieben Menschen, 47 weitere wurden verletzt.

Details zur jetzt geplanten Vergeltung nannte Selenskij nicht. Allerdings verwies er einmal mehr auch auf die seit drei Wochen laufende ukrainische Offensive im russischen Gebiet Kursk. Die ukrainischen Truppen hätten dort ihre Kontrolle ausgeweitet und erneut russische Kriegsgefangene genommen, was die Möglichkeiten für den Austausch von Gefangenen verbessere.

Stromausfälle und Notabschaltungen

In der Hauptstadt der Ukraine und in anderen Landesteilen war es am Montag nach einem der schwersten russischen Luftangriffe zu Stromausfällen und Notabschaltungen gekommen. Russland habe mehr als 100 Raketen und ähnlich viele Kampfdrohnen eingesetzt, sagte Präsident Selenskij. Er erneuerte die flehentliche Kiewer Bitte an Partnerländer, den Einsatz westlicher Waffen gegen Militärziele tief im Rückraum Russlands zu erlauben. „Jeder Führer, jeder Partner von uns weiß, welche starken Entscheidungen notwendig sind, um diesen Krieg zu beenden, und zwar auf faire Weise.“ Für die Ukraine dürfe es keine Reichweitenbeschränkung geben, weil auch Russland seine Angriffe nicht beschränke. Ähnlich appellierten Selenskijs Stabschef Andrij Jermak und Außenminister Dmytro Kuleba an die Verbündeten. Bisher darf die ukrainische Armee viele Waffen mit höherer Reichweite gemäß der westlichen Auflagen nicht gegen Ziele in Russland einsetzen.

Der ukrainischen Luftwaffe zufolge setzte die russische Armee zeitweise elf Langstreckenbomber Tu-95 ein, die als Abschussrampen für Marschflugkörper dienen. Außerdem wurden demnach Hyperschallraketen Kinschal auf die Ukraine abgefeuert. Auch aus dem Schwarzen Meer sei die Ukraine mit Marschflugkörpern Kalibr beschossen worden. Dazu wurden nach vorläufigen Angaben Dutzende Drohnen in der Luft geortet. Angaben zu Treffern auf militärische Ziele machte die Ukraine wie üblich nicht.

„Der Feind lässt nicht von seinen Plänen ab, den Ukrainern das Licht auszuschalten“, schrieb Energieminister Herman Halutschschtenko auf Facebook. Die Lage sei schwierig. Der Stromversorger Ukrenerho und andere Energiefirmen versuchten, das Netz durch Notabschaltungen zu entlasten. Wo kein Strom ist, fällt meist auch die Versorgung mit Wasser aus.