Stornogebühr: Ärzte und Wirte verrechnen bis zu fünfmal pro Woche
Der gemeinsame Nenner in den Stellungnahmen ist eher von der nachdenklichen Sorte: Die Gesellschaft habe sich verändert, fehlende Rücksichtnahme und Egoismus würden zunehmen. „Es ist leider ein Zug der Zeit.“ Was grundsätzlich das Zusammenleben erschwert, wirkt sich im Detail wirtschaftlich massiv aus: Wenn Kunden einen Tisch oder eine Behandlung reservieren, dann aber einfach nicht auftauchen – ohne abzusagen –, sorgt das für enorme Verluste. Der Satz eines Schweizer Gastronomen, wonach drei nicht wahrgenommene Reservierungen am Tag „einen Schaden in Höhe eines Jahressalärs eines Mitarbeiters“ verursachen, machte kürzlich die Runde im deutschsprachigen Raum.
In der Steiermark setzt dieser Trend derzeit den Friseurinnen und Friseuren massiv zu, wie Landesinnungsmeisterin Doris Schneider bestätigt. „Das ist leider ein Riesenproblem.“ Also werde innerhalb der Branche und mit der Bundesinnung über jene Maßnahme diskutiert, für die es in Österreich weder eine Verordnung noch eine einheitliche Regelung gibt – aber manche Wirte oder auch Ärzte längst umsetzen: Sie verlangen eine Stornogebühr. Michael Wankerl, Gastronom„Wenn ich in ein Konzert gehe, kaufe ich ja auch Monate vorher die Karte. Bloß bei uns in der Branche glauben viele, dass Vergleichbares undenkbar ist“, schüttelt Michael Wankerl den Kopf. Der Chef des Grazer Lokals „Gerüchteküche“ will das Gegenteil beweisen: Bei einer Reservierung verlangt er 99 Euro für das Sechs-Gang-Menü am Abend – die der Gast im Voraus bezahlt. Es gehe um mehr Respekt vor dem Produkt und vor der Arbeit dahinter. Kommt der betreffende Gast nicht vorbei, „hat er Pech. Meldet er sich aber rechtzeitig, dann gibt es eine Gutschrift oder wir buchen den Termin für einen anderen Tag um. Bis heute hat sich kein einziger Gast darüber beschwert.“
Michael Wankerl geht es um „mehr Respekt vor dem Produkt und vor der Arbeit“
© Jürgen Fuchs
Dietmar Bayer, Arzt und KurienobmannKurz fragt Dietmar Bayer bei seiner Assistentin nach, doch die Zahl stimmt: „Bis zu fünfmal in der Woche“ komme es vor, dass Patienten trotz Termins nicht in der Ordination des Facharztes für Psychiatrie erscheinen. Ohne abzusagen. „Obwohl wir alle per SMS an den Termin erinnern! Das ist einfach keine Art und noch dazu höchst unfair: Ich nehme einem anderen die Chance auf ärztliche Hilfe, die derjenige dringend bräuchte.“ Bayer setzte sich auch als Vizepräsident der Ärztekammer und Kurienobmann für generelle Stornogebühren ein. In seiner Ordination verlangt er in solchen Fällen längst eine Pauschale von 100 Euro. „Sagt der Patient spätestens am Morgen seines Termins ab, können wir über alles reden.“
Dietmar Bayer, Vizepräsident der Ärztekammer Steiermark, setzt sich generell für Stornogebühren ein
© ÖÄK/Stefan Seelig
Doris Schneider, Friseurin und InnungsmeisterinNein, in ihrer Branche sei eine Stornogebühr nicht üblich. Noch nicht. „Wir diskutieren das aber grad intensiv mit der Bundesinnung“, bestätigt Doris Schneider, Betreiberin eines Friseursalons und Landesinnungsmeisterin. Denn leider komme es in letzter Zeit immer öfter vor, dass Schere und Kamm unbenutzt bleiben – weil Kunden mit Termin nicht kommen. Ohne abzusagen. „Wer so wie ich verlässliche Stammgäste hat, ist nicht wirklich betroffen.“ Auch an „Standorten mit Laufkundschaft“ könne man Ausfälle kompensieren. Aber die Anonymität in größeren Städten öffnet der neuen „Wurschtigkeit“ Tür und Tor. „Die Gesellschaft hat sich verändert.“
Doris Schneider, Innungsmeisterin einer Branche, die intensiv Stornogebühren diskutiert
© Manfred Eibl
Die Diskussion um Stornogebühren in verschiedenen Branchen
Die Thematik der Stornogebühren betrifft nicht nur Gastronomen, Ärzte und Friseure, sondern auch andere Dienstleister. Immer öfter stehen Unternehmer vor dem Problem, dass Kunden ihre Termine nicht wahrnehmen, ohne rechtzeitig abzusagen. Dies führt nicht nur zu finanziellen Verlusten, sondern auch zu einem erhöhten Arbeitsaufwand und einer ineffizienten Ressourcennutzung. Daher wird auch in anderen Branchen über die Einführung von Stornogebühren diskutiert, um das Verhalten der Kunden zu beeinflussen und eine bessere Planbarkeit zu gewährleisten.
Die rechtliche Situation und die Notwendigkeit einheitlicher Regelungen
In Österreich gibt es derzeit keine Verordnung oder einheitliche Regelung zur Erhebung von Stornogebühren in verschiedenen Branchen. Dies führt zu einer uneinheitlichen Praxis und Unsicherheiten bei den Dienstleistern. Es wird daher diskutiert, ob gesetzliche Maßnahmen erforderlich sind, um klare Richtlinien festzulegen und einen fairen Umgang zwischen Kunden und Dienstleistern zu gewährleisten. Einheitliche Regelungen könnten dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden und für mehr Transparenz in der Abrechnung zu sorgen.
Der Umgang mit Stornierungen und die Bedeutung von Verlässlichkeit
In einer Zeit, in der Termine und Reservierungen immer häufiger online oder telefonisch vereinbart werden, ist die Verlässlichkeit der Kunden von entscheidender Bedeutung. Durch das Nicht-Erscheinen zu einem vereinbarten Termin entstehen nicht nur finanzielle Schäden, sondern auch organisatorische Probleme. Dienstleister sind daher gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Verhalten einzudämmen und eine effiziente Nutzung ihrer Ressourcen sicherzustellen. Die Einführung von Stornogebühren kann dazu beitragen, die Verantwortung der Kunden zu stärken und einen respektvollen Umgang miteinander zu fördern.
Insgesamt zeigt sich, dass das Thema Stornogebühren in verschiedenen Branchen aktuell stark diskutiert wird und eine wichtige Rolle für die zukünftige Gestaltung der Dienstleistungsbranche spielt. Es bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen und Regelungen in Zukunft getroffen werden, um einen fairen und transparenten Umgang zwischen Kunden und Dienstleistern zu gewährleisten.