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Es ist immer wieder faszinierend, wie ein Buchtitel die Erwartungen an eine Geschichte prägen kann. „Brennende Felder“ klingt nach einem epischen Bericht über einen Vernichtungskrieg oder die Leiden der Zivilbevölkerung inmitten einer Katastrophe. Es könnte auch als ein Beispiel für den immer beliebter werdenden Genre der Climate Fiction dienen, in dem die Folgen des Klimawandels eindringlich thematisiert werden. Doch Reinhard Kaiser-Mühlecker bringt in seinem neuen Roman weder einen Krieg noch eine ökologische Katastrophe auf die Seiten. Stattdessen entführt er die Leser in eine Welt voller verborgener Schicksale und ungelöster Rätsel.

### Eine Geschichte von brennenden Feldern und verbrannter Erde

Ja, in der Geschichte von „Brennende Felder“ spielen brennende Felder tatsächlich eine Rolle. Erntemaschinen, die unter extremen Witterungsbedingungen Feuer fangen und die Landschaft in Flammen setzen – eine Szene, die Reinhard Kaiser-Mühlecker aus eigener Erfahrung kennt. Als Betreiber eines Bauernhofs in Oberösterreich ist er mit den Herausforderungen des ländlichen Lebens vertraut und verleiht seinen Beschreibungen eine Authentizität, die seine Romane so einzigartig macht.

Doch bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass es in „Brennende Felder“ nicht nur um das Feuer auf den Feldern geht. Vielmehr dreht sich die Handlung um die verbrannte Erde, die Spuren, die das Leben hinterlässt und die oft unauslöschlich sind. Die Protagonistin Luisa Fischer trägt viele Geheimnisse und Verluste in sich, die nach und nach enthüllt werden. Mit zwei Kindern aus früheren Beziehungen, die sie nur sporadisch besucht, und einem Leben auf dem Land, das nicht das ersehnte Glück bringt, kämpft sie darum, ihren Platz in der Welt zu finden.

### Reichtum und Armut, Vorurteile und Benachteiligungen

Reinhard Kaiser-Mühlecker ist bekannt für seine eindringlichen Porträts von Menschen am Rand der Gesellschaft, für seine Auseinandersetzung mit sozialen Ungleichheiten und historischen Verbrechen. In „Brennende Felder“ finden sich auch diese Themen wieder, verwebt mit der Geschichte von Luisa Fischer und ihren Brüdern, sowie dem Bauernfunktionär Ferdinand Goldberger. Der Autor beleuchtet die Schattenseiten des Lebens und die Auswirkungen von Reichtum und Armut, von Vorurteilen und Diskriminierung auf das Individuum.

Doch trotz der Tiefe und Komplexität der Charaktere und Themen droht die Handlung von „Brennende Felder“ manchmal ins Leere zu laufen. Die vielen Beziehungen und Probleme von Luisa Fischer wirken zwar authentisch, doch fehlt es an einer klaren Struktur und einem roten Faden, der den Leser durch das Buch führt. Es ist, als ob man durch dichten Rauch hindurchblickt, ohne das Feuer zu sehen – eine gewisse Gleichgültigkeit droht sich einzustellen, bevor die Geschichte Fahrt aufnehmen kann.

### Die Kunst des Erzählens und die Suche nach der Wahrheit

Trotzdem zeigt Reinhard Kaiser-Mühlecker in „Brennende Felder“ seine Meisterschaft im Erzählen. Von detailreichen Beschreibungen eines Angelausflugs bis hin zu spannenden Szenen voller Action und Drama beherrscht er das Handwerk des Schriftstellers. Doch nicht nur das äußere Geschehen steht im Mittelpunkt, sondern auch die innere Welt der Figuren, ihre Gedanken und Gefühle, ihre Suche nach Identität und Wahrheit.

Luisa Fischer, die selbst an einem Debütroman arbeitet, wird zur Spiegelung des Autors und seiner eigenen Herausforderungen. Sie ringt mit den Worten, mit den Landschaften, die ihr fremd erscheinen, mit den Geschichten, die noch nicht erzählt sind. Doch am Ende des Romans setzt sie sich entschlossen an die Arbeit, ihren eigenen Roman zu schreiben – ein Akt der Befreiung und Selbstfindung, der Hoffnung auf ein besseres Verständnis von sich selbst und der Welt.

Reinhard Kaiser-Mühlecker hat mit „Brennende Felder“ erneut ein eindringliches und vielschichtiges Werk geschaffen, das den Leser herausfordert und berührt. Mit seiner einzigartigen Mischung aus Realismus und Poesie, aus Alltag und Tragödie, aus Licht und Schatten zeigt er, dass Literatur mehr ist als nur Unterhaltung – sie ist ein Spiegel der menschlichen Seele, ein Weg zur Erkenntnis und zur Veränderung.